Georg Münzel
Regie
Bühnenfassung und Regie - Georg Münzel
Bühnenbild - Ute Radler
Kostüme - Celina Blümner
mit
Ulrich Bähnk, Chantal Hallfeldt, Dirk Hoener, Anne Schieber
Presse
Georg Münzel gräbt mit „Serge“ am Altonaer Theater in der Vergangenheit einer neurotischen Familie sowie der deutsch-jüdischen Geschichte ... Was in der deutschen Rezeption von Rezas Stücken freilich immer ein wenig unterging, war der jüdische Hintergrund der Protagonisten. In „Serge“, 2022 als Roman erschienen und für die Bühne bearbeitet von Georg Münzel, Oberspielleiter am Altonaer Theater, lässt sich dieser Hintergrund allerdings nicht mehr ignorieren: Nur durch ihr Jüdischsein erklären sich Traumata, an denen die Beteiligten leiden, immerhin wurden Teile der Familie von den Nazis ausgelöscht. ...
Bähnk spielt Serge sehr einfühlsam: als Mann, der nicht weiß, wie er sich zu seiner Umgebung verhalten soll, und der deswegen von allem immer ein bisschen zu viel macht, der ein bisschen zu laut ist, ein bisschen zu lustig, ein bisschen zu aggressiv. Seine Unsicherheit kompensiert er mit Ticks, und wie der Darsteller diese Ticks in einen leicht aus der Form geratenen Körper legt, das ist ganz große Schauspielkunst. Überhaupt lässt Münzels Regie den Darstellern viel Raum, ihre Figuren zu modellieren. ... Ähnlich zurückhaltend wie die Regie erweist sich auch die Ausstattung (Bühne: Ute Radler, Kostüm: Celina Blümner). Im Grunde sieht man vor allem dunkel gekleidete Darsteller vor dunklem Hintergrund, nach und nach öffnen sich weitere Vorhänge, hinter denen freilich nur noch tieferes Dunkel lauert – dieses Stück ist ein Hinabsteigen in immer düsterere Schichten der Vergangenheit, nicht nur einer Familie, sondern auch der deutschen Geschichte. Am Ende jedenfalls stehen dunkle Podeste, die nicht von ungefähr an das Stelenfeld des Berliner Holocaust-Mahnmals erinnern. „Nicht wirklich witzig, das Ganze“, heißt es an einer Stelle, „jetzt ist Schluss mit lustig“. Wohl wahr. Aber auch wenn es nicht wirklich witzig ist: Unterhaltsam ist der rund zweistündige Abend durchaus. Weil Rezas Vorlage inhaltlich originell ist, weil das Darstellerquartett perfekt harmoniert, weil Münzels Inszenierung den Stoff in ihrem Minimalismus optimal fasst. Und weil einem diese Familie schlicht nahegeht, trotz ihrer Unausstehlichkeit. Am Ende gelingt Münzel ein Schlussbild, das ist so berührend, so intelligent aufgebaut, im Grunde eine so konsequente Verweigerung eines Boulevard Höhepunktes, wie man sie nur inszenieren kann, wenn man den Boulevard ganz genau verstanden hat. Und wer nach solch einem Nicht-Schluss Serges Familie noch nicht ins Herz geschlossen hat, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Falk Schreiber, Hamburger Abendblatt
Kann es eine angemessene Auseinandersetzung mit der unvorstellbaren Grausamkeit und Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Regimes geben, fragt die französische Erfolgsautorin Yasmina Reza in ihrem umstrittenen Roman „Serge“. Stärker noch als unseren Umgang mit Erinnerungskultur betont die gleichnamige Aufführung am Altonaer Theater das Familiendrama. Regisseur Georg Münzel inszenierte seine eigene Stückfassung als feinfühlig ausbalancierte Gratwanderung zwischen absurder Komik und existentieller Dramatik.
Der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers fordert vor allem Serge heraus, sich endlich den großen Fragen des Lebens zu stellen. Hat der Frauenheld sein Leben sinnlos vertan, wie Nana (vom großen Bruder als „Tugend-Trulla“ beschimpft: Anne Schieber) meint? Eindrucksvoll macht Ulrich Bähnk in der Hauptrolle hinter Selbstmitleid und Überheblichkeit die Verzweiflung eines Mannes spürbar, den die Bewältigung seiner Lebenskrise völlig überfordert. Dritter im Bunde der Mitgefühl weckenden Figuren ist Dirk Hoener als zwischen den Geschwistern vermittelnder Jean.
Ein berührender Theaterabend über spannungsreiche familiäre Verbundenheit und Zusammenhalt in schweren Zeiten.
Brigitte Scholz, Hamburger Morgenpost
Berührender, unterhaltsamer und spannender Familienwahnsinn ...
Ulrich Bähnk in der Titelrolle ist umwerfend, aber auch die anderen drei: großartig! Gebannt schaut man zu, wie alte Familienstrukturen die Geschwister völlig in Rage und schier um den Verstand bringen.
NDR 90,3 Kulturjournal